Wandfluhgrat, ZS, 4a, oder: „Neulich beim Zahnarzt…“

Dieser Tage wollen Frank, Ingo und ich der Dent Blanche, ihres Zeichens strahlender 4000er in Mitten des Walliser Gebisses, sprichwörtlich auf den Zahn fühlen! Oder sie uns? Also dann: Mund auf Augen zu. Und es beginnt, wie es beim Zahnarzt beginnen muss: schmerzhaft, aber für uns! Der Hüttenzustieg auf die Cabane Dent Blanche ist nämlich mit angegebenen 6 Stunden einer der längsten in den Alpen. Wir schaffen es zwar in 4:30h aber ein bisschen weh getan hat’s schon. Über Nacht tobt der Sturm um die Hütte und mir schwant übles für den nächsten Morgen! Und tatsächlich: es wird gleich wieder weh tun! Nein, nicht das frühe Aufstehen, Frühstück um 4:00 Uhr ist man in den Westalpen schließlich gewöhnt, aber der, wie eben beim Zahnarzt üblich, grausige Vereisungsspray in Form von andauerndem Wind, der uns ständig ins Gesicht bläst, machen uns schon zu Beginn des Aufstiegs zu schaffen. Ganz nebenbei sind mittlerweile unsere Zehen und Finger vollends gefroren, was sich tags darauf an sehr schmerzenden Nägeln und Fingerkuppen bemerkbar machen sollte! Am Felsgrat angekommen, packen nun aber wir die Bohrer aus und kratzen mit unseren Steigeisen heftig am Zahnstein des Weißen Riesen! Ihn scheint es freilich wenig zu berühren!

Der weiße Zahnbelag zwingt uns schließlich, den gesamten Grat mit Steigeisen zu klettern. Das ständige Gekratze und Geknirsche lässt den lieben Zahnarzt allgegenwärtig werden, und, autsch, selbst als wir auf den letzten Metern zum Gipfel den Firngrat erreichen, kneifen wir noch einmal zusammen, ist dieser doch so scharf wie nie! Am Gipfel angekommen, sehen wir dann das gesamte, perfekte Walliser Gebiss: Weiß und makellos, gemacht für die Ewigkeit (im Gegensatz zu unserem…) stehen sie vor uns: die Schneidezähne Dom und Täschhorn, die Eckzähne Weisshorn, Rothorn und Obergabelhorn! Die Stockzähne der Monte Rosa Gruppe mit Dufourspitze, Lyskamm und Breithorn, der Backenzahn die Dent de Herens und schließlich der steilste Zahn: das Matterhorn… und ganz hinten noch der Weisheitszahn Mont Blanc…

Beim Abstieg schmerzt es leider auch noch einmal richtig, aber diesmal nicht am Zahn, sondern leider an Franks rechtem Bein, das er sich bei einem Pendler während eines Abseilers verletzt… Und wie ist es immer so schön nach einem Zahnarztbesuch? Richtig Freude kommt erst auf, wenn man die Praxis mit schmerzverzerrtem Gesicht endlich wieder verlassen darf. Weh getan hat‘s, aber jetzt ist alles gut! Und unvergesslich bleibt dieser Besuch mit den beiden supernetten Schweizern Frank und Ingo allemal, die trotz Tort(o)ur stets vor lauter Lachen ihre Zähne gezeigt haben… Merci vielmal euch Beiden!